Marta & Lion Feuchtwanger

Marta Feuchtwanger
Marta Feuchtwanger im Patio der Villa Aurora (Feuchtwanger Memorial Library / USC)

Lion Feuchtwanger wurde 1884 in München geboren. Er studierte Germanistik und Geschichte in München und Berlin, promovierte 1907, entschied sich aber gegen eine akademische Laufbahn, weil ihm als Jude eine Professur an einer bayerischen Hochschule nicht offen stand. Als Mitherausgeber der Zeitschrift „Der Spiegel“ und Mitarbeiter an Siegfried Jacobsohns „Schaubühne“ bezog Feuchtwanger in Theaterkritiken und Essays zu Literatur und Kunst Stellung zu aktuellen kulturpolitischen Themen. Nach ersten Erfolgen als Dramatiker verlagerte Feuchtwanger seinen Schwerpunkt auf den historischen Roman.

1909 lernte Lion Feuchtwanger die 1891 ebenfalls in München geborene Marta Löffler kennen. Marta war begeisterte Sportlerin und gab bereits in jungen Jahren Turnunterricht für Kinder. Sie war literarisch interessiert, richtete bereits in München einen Salon ein und unterstützte ihren Mann als Lektorin und Kritikerin. Lion und Marta heirateten 1912. Im September desselben Jahres wurde ihre Tochter Marianne geboren, die zwei Monate später an Typhus starb.

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs überraschte die Feuchtwangers in Tunis. Lion musste aus einem Internierungslager fliehen, wurde zum Militärdienst eingezogen, aber kurze Zeit später ausgemustert. 1925, im Jahr der Veröffentlichung von Feuchtwangers bekanntestem Roman, „Jud Süß“, zogen Lion und Marta Feuchtwanger nach Berlin. Fünf Jahre später erschien der Schlüsselroman „Erfolg“, der den Aufstieg der Nazis in der bayerischen Landeshauptstadt hellsichtig analysiert.

Zum Zeitpunkt der Machtergreifung Hitlers befand sich Lion auf einer Vortragsreise in den USA. Er und Marta kehrten nicht mehr nach Deutschland zurück, sondern ließen sich – wie Thomas und Heinrich Mann, Bertolt Brecht und zahlreiche andere deutsche Exilanten – in Sanary-sur-Mer in Südfrankreich nieder. Feuchtwangers Haus in Berlin wurde enteignet und geplündert; zahlreiche Manuskripte sowie seine wertvolle Bibliothek gingen unwiederbringlich verloren. Von Goebbels als „ärgster Feind des deutschen Volkes“ bezeichnet, fand sich sein Name auf der ersten Liste von „Volksverrätern“, die 1933 ihre deutsche Staatsbürgerschaft verloren. Feuchtwangers Werke gehörten zu den im selben Jahr im Zuge der „Aktion wider den undeutschen Geist“ von Studierenden verbrannten Büchern.

1937 reiste Feuchtwanger nach Moskau, wo er mit Stalin zusammentraf. Der im Anschluss verfasste Reisebericht „Moskau 1937“ sollte weitreichende Auswirkungen haben, auch in Zusammenhang mit dem Erwerb der amerikanischen Staatsbürgerschaft. Feuchtwanger wurde vorgeworfen, dass er sich für Sowjet-Propaganda habe einspannen lassen. Feuchtwangers positives Urteil bezieht sich allerdings weniger auf die bestehenden Verhältnisse als auf die Sowjetunion als Utopie. Da die westlichen Demokratien eine Politik der Neutralität verfolgten und sich einzig die Sowjetunion den Nazis entschieden entgegenstellte, war Feuchtwanger entschlossen, Kritik, die er hinter verschlossenen Türen durchaus äußerte, nicht öffentlich zu machen.[1]

 

Mit freundlicher Genehmigung der Feuchtwanger Memorial Library, University of Southern California

Lion Feuchtwanger
Lion Feuchtwanger vor der Küste Pacific Palisades (Feuchtwanger Memorial Library / USC)

Zurück in Frankreich wurde Feuchtwanger zweimal als „unerwünschter Ausländer“ interniert. Mit Hilfe des amerikanischen Journalisten Varian Fry, der die Operationen des Emergency Rescue Committee in Frankreich leitet, des amerikanischen Diplomaten Hiram Bingham IV, sowie des unitarischen Geistlichen Waitstill Sharp und dessen Frau Martha gelang ihm die Flucht. Marta und Lion Feuchtwanger überquerten zunächst zu Fuß die Pyrenäen und gelangten nach Spanien. Entgegen der ursprünglichen Planung waren sie nicht Teil der aus Heinrich, Nelly und Golo Mann, sowie Franz und Alma Werfel bestehenden Gruppe, weil Fry davon ausgehen musste, dass nach dem erklärten Nazi-Gegner Lion Feuchtwanger gezielt gefahndet wurde. Die Feuchtwangers reisten mit dem Zug nach Portugal und von dort mit dem Schiff nach New York.[2]

1941 zogen die Feuchtwangers nach Los Angeles, wo sich immer mehr europäische Künstler und Intellektuelle ansiedelten, nicht zuletzt weil die Filmindustrie durch den Abschluss von Arbeitsverträgen deren Einreise erst ermöglichte. Marta und Lion Feuchtwanger unterstützten zahlreiche deutsch-jüdische und antifaschistische Autoren durch Affidavits und Spenden, meist ohne deren Wissen. Feuchtwanger selbst war durch den Verkauf von Büchern finanziell abgesichert und konnte 1943 das heute als Villa Aurora bekannte Haus in Pacific Palisades erwerben, das zu einem Treffpunkt der deutschsprachigen Exilanten und ihrer amerikanischen Freunde wurde.

Nach dem Krieg wurde Feuchtwanger des „premature antifascism“ bezichtigt; er stand unter Beobachtung durch das House Unamerican Activities Committee und des FBI und wurde mehrfach zu Verhören vorgeladen.[3] Die 1948 beantragte amerikanische Staatsbürgerschaft wurde trotz zahlreicher Anhörungen nicht erteilt. Erst nach Lions Tod am 21. Dezember 1958 erhielt seine Witwe die Mitteilung, dass dem Antrag stattgegeben wurde. Sie nahm 1959 die amerikanische Staatsbürgerschaft an.

Marta Feuchtwanger lebte weiterhin in der Villa Aurora, die sie zusammen mit der wertvollen Bibliothek und dem Feuchtwanger-Archiv der University of Southern California vermacht hatte. Die Universität, die seit 1995 die Feuchtwanger Memorial Library (http://libguides.usc.edu/feuchtwanger) beherbergt, verlieh ihr die Ehrendoktorwürde und setzte sie als Kuratorin von Haus und Bibliothek ein. 1969 reiste Marta auf Einladung Willy Brandts nach Deutschland. Mit Lions langjähriger Sekretärin Hilde Waldo ordnete sie in den Folgejahren Nachlass und Korrespondenz ihres Mannes und blieb bis zu ihrem Tod am 25. Oktober 1987 eine feste Größe im kulturellen Leben von Los Angeles. Lion und Marta Feuchtwanger sind auf dem Woodlawn Cemetery in Santa Monica begraben.


[1] S. Anne Hartmann, “Der Stalin-Versteher. Lion Feuchtwanger in Moskau 1937”, in: Osteuropa, 11–12.2014, S. 59-80.

[2] Zu den Umständen der Flucht und der Rolle s. die zweisprachige Villa Aurora Publikation Fry, Bingham, Sharp. Die amerikanischen Retter von Lion und Marta Feuchtwanger/ The Americans Who Saved Lion and Marta Feuchtwanger von Manfred Flügge (Berlin 2016).

[3] Alexander Stephan, Im Visier des FBI. Deutsche Exilschriftsteller in den Akten amerikanischer Geheimdienste. Stuttgart, 1995, rev. pb. Berlin, 1998, engl. as 'Communazis.' FBI Surveillance of German Emigré Writers. New Haven, 2000.

 

Weiterführende Literatur (Auswahl):

Marta Feuchtwanger interviewed by Lawrence Weschler, An Émigré Life, Los Angeles 1976

Marta Feuchtwanger, Nur eine Frau. Jahre – Tage – Stunden, München/Wien 1983.

Manfred Flügge, Die vier Leben der Marta Feuchtwanger, Berlin 2008.

Andreas Heusler, Lion Feuchtwanger. Münchner – Emigrant – Weltbürger, St. Pölten 2014.

Reinhold Jaretzky, Lion Feuchtwanger , Reinbek bei Hamburg 1984.

Wolfgang Jeske/Peter Zahn, Lion Feuchtwanger oder Der arge Weg der Erkenntnis, Stuttgart 1984.

Lothar Kahn, Insight and Action. The Life and Work of Lion Feuchtwanger, Madison, N.Y., 1975.

Joseph Pischel, Lion Feuchtwanger, Frankfurt/Main 1984.

Volker Skierka, Lion Feuchtwanger. Eine Biographie, Berlin 1984.

John M. Spalek, Lion Feuchtwanger. The man, his ideas, his work, Los Angeles 1972.

Wilhelm von Sternburg, Lion Feuchtwanger. Ein deutsches Schriftstellerleben, Berlin 1994.