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Konferenz—"Moral Code: Ethics in the Digital Age"
„AI should support human responsibility, not remove it” konstatierte der Philosoph Luciano Floridi, bei der Konferenz „Moral Code“ in Los Angeles. Der renommierte Philosophieprofessor aus Oxford war auf Einladung von Thomas Mann House und UCLA Digital Humanities an die Westküste gereist, um bei der zweitägigen, interdisziplinären Konferenz über die ethischen Implikationen künstlicher Intelligenz zu sprechen.
Während eines Kamingesprächs im Thomas Mann Housep kam Floridi am 27. Mai mit dem Informatikprofessor und Thomas Mann Fellow Damian Borth (St. Gallen) ins Gespräch. In dem von Andrew Culp (CalArts) moderierten Gespräch zeigte sich Floridi optimistisch im Bezug auf eine internationale Verständigung über moralische Richtlinien im Umgang mit künstlicher Intelligenz. Ein wichtiger Grundstein sei etwa mit den „Ethics guidlines for trustworthy AI“ der Europäischen Kommission gelegt. Was die Verständigung über moralische Grundsätze künstlicher Intelligenz angeht, war Damian Borth weniger zuversichtlich. Auch wenn AI für ethisch sinnvolle Zwecke eingesetzt werden können, bleibe doch die Einhaltung entsprechender Regeln ein ungelöstes Problem.
Der 28. Mai sah die Vertiefung dieser Themen in einer eintägigen Konferenz am UCLA mit gut 130 Besuchern und Teilnehmern. Nach einer Keynote von Luciano Floridi, die einen Überblick in das Themenfeld bot, sowie eine Aussicht auf ein ethisches System aufzeigte, war der Tag durch drei Panels strukturiert. Im ersten Panel, „Why not craft better humans?”, beleuchteten künstlerische, philosophische und medizinische Perspektiven unterschiedliche Aspekte rund um die Schnittstelle Mensch und Maschine: Dong Song (Biomedical Engineering, USC) berichtete von Forschungen zur elektrischen Stimulierung des menschlichen Gehirns, Linderung von Symptomen bei Patienten mit Epilepsie, Parkinsons oder Alzheimer, bis hin zur Entwicklung von Gedächtnisimplantaten. Nader Pouratian (Neurochirurg, UCLA) sprach über etablierte Therapiemethoden mit Gehirnimplantaten, warf aber auch ein kritisches Licht auf zukünftige Enhancement-Potentiale entsprechender Technologien. Es zeichne sich ab, dass, wie in der plastischen Chirurgie, die Grenzen zwischen Therapie und Verbesserung des menschlichen Körpers verschwimmen. Josh Berson (Berggruen Fellow) kontextualisierte menschliches Verhalten und Selbst-Verständnis im Zeitalter digitaler Technologien sowohl durch anthropologische Beispiele, als auch eine historische Perspektive zu unserer Nutzung von Werkzeugen. Louisa Clement (Villa Aurora Fellow) sprach von ihrer Arbeit als Künstlerin, dem Experimentieren mit neuen Medien und Materialien und wie künstlerische Arbeit zur Bildung, Hinterfragung und Spekulation an den Grenzen unserer Vorstellungskraft beiträgt.
Das zweite Panel fragte: „What does a just AI economy look like?“ Thomas Mann Fellow Damian Borth besprach die technischen und ökonomischen Möglichkeiten und Risiken in seinem Fachbereich, mit einem Fokus auf die Zentralität der Sammlung von Daten. Andrew Culp richtete den Blick auf das grundlegende Wirtschaftssystem: momentan leben wir nicht nur in Ungleichheit, die Schere zwischen arm und reich geht stetig weiter auseinander. Innerhalb dieses Modells werden auch technologische Fortschritte diese Entwicklung eher beschleunigen; es bleibt daher wichtig auch über fundamentale Umstrukturierung und Organisation nachzudenken. Sarah T. Roberts (Information Studies, UCLA) trug dazu bei, indem Sie die Arbeitsstrukturen und zeitgenössische Ausbeutung erläuterte, die durch den Trend in künstlicher Intelligenz und Algorithmen befeuert werden. Koloniale Strukturen werden hierbei erneut deutlich, während die Virtualisierung und Delokalisierung der Ausbeutung zu einer Isolation führt, die solidarischen Protest und Gegenbewegungen erschweren.
Im letzten Panel des Tages disktuierten Safiya Noble (Information Studies und African American Studies, UCLA/USC), Todd Presner (Germanic Languages, UCLA) und Ramesh Srinivasan (Information Studies, UCLA) über die Frage „Can algorithms be ethical?“ Todd Presner lenkte die Aufmerksamkeit des Publikums auf das Kriterium der Agency. So sei für den moralischen Status von Algorithmen nicht nur entscheidend, ob diese zu Handlungen in der Lage seien, sondern ob sich diese auch selbstständig für oder gegen eine Ausführung entscheiden können. Safiya Noble rückte die Handlungsfähigkeit und -wirksamkeit von Algorithmen in den Mittelpunkt. Algorithmen seien mitnichten „einfach nur Mathematik“ sondern operierten in einer soziopolitischen Realität; somit müssten wir uns stets bewusst bleiben, dass sie geprägt seien von Ungleichheit, Ideologie, Vorurteilen und Interessen. Ramesh Srinivasan ermutigte dazu, Gegenkulturen aufzubauen und Algorithmen und KI für Anliegen sozialer Gerechtigkeit zu nutzen.
Das Event wurde den gesamten Tag über aktiv auf Twitter begleitet und kommentiert. Aus dem Publikum gab es zahlreiche konstruktive und kritische Frage, die die Diskussionen der Panelisten weiter vorantrieben.