News |Kirsten Reese: Atmende Kugel

Johanna Diehl, Das imaginäre Studio XIV (Hermann Scherchens rotierender Nullstrahler, Studio für Elektroakustische Musik, Akademie der Künste, Berlin), gelatin silver print, 2017, 61 × 49 cm © Johanna Diehl

Die von Hermann Scherchen im Experimentalstudio Gravesano entwickelte rotierende Lautsprecherkugel – genannt „atmende Kugel“ – wurde als idealer, in alle Richtungen gleichmäßig abstrahlender Lautsprecher konzipiert. Kirsten Reeses Komposition geht aus von der akustischen Forschung, die in den Plattenbeilagen zu der von Scherchen herausgegeben Zeitschriftenreihe der Gravesaner Blätter dokumentiert ist. Diese Tondokumente werden zu einer eigenen Musik im Zusammenspiel von Gesangsstimmen und Lautsprecherkugel komponiert. Kreisend projiziert die Kugel die Klänge in alle Richtungen, die Sänger positionieren sich um die Kugel herum, als Bild des Verschränkens von Ausgangsmaterial und dessen Transformation.

Scherchen läßt sich als paradigmatischer früher Vertreter „künstlerischer Forschung“ bezeichnen. Als Dirigent war er neben seinen Aufführungen des klassischen Repertoires ein Pionier der zeitgenössischen Musik, widmete sich aber ebenso zukunftsgewandt Fragen der Medien, Radio und Aufnahmetechnik und der elektronischen Musik. In den Experimenten der Gravesaner Platten vermittelt sich über die Intensität der Auseinandersetzung mit jeglichen akustischen Phänomenen der Utopismus und Humanismus von Scherchen und seinen Mitstreitern.

Insbesondere thematisieren die Klangbeispiele Wahrnehmung und Verstehen – was ist die „tönende Botschaft“ des medial aufgezeichneten Klangmaterials? Das Erklingen über den Kugellautsprecher verleiht den historischen Tondokumenten und ihrer Neu-Komposition gleichzeitig eine Aura und eine lebendige Präsenz.

 


Atmende Kugel (2017)
für sechs Stimmen und Hermann Scherchens rotierende Lautsprecherkugel
UA mit den Neuen Vocalsolisten im Rahmen von KONTAKTE '17
Sonntag, 1. Oktober 2017, 20 Uhr
Akademie der Künste Berlin

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